Parallel zum Continental Divide führt der Highway 93 direkt durch die Hochgebirgswelt der Rocky Mountains. Es geht vorbei an Gletschern, schneebedeckte Gipfel, Bergseen in allen Blautönen, spektakulären Wasserfällen und wilden Flüsse. Wenn das Wetter mitspielt. Als ich mich von Julia verabschiedete, sah der Wetterbericht nämlich übelst aus. Ich verliess Banff mit bedrohlich dunklen Wolken im Himmel und folgte dem Bow Valley Parkway zurück nach Lake Louise. Die Parallelstrasse zum Highway war praktisch verkehrslos und Infotafeln zeigten mir Fotos vom verpassten Panorama. Aber siehe da, gegen Mittag öffnete sich die Wolkendecke und ich sah immerhin vereinzelt Berggipfel. Ohne Regen erreichte ich die Jugendherberge, wo ich besseres Wetter abwarten wollte. Eine der weltweit schönsten Strassen mit schlechtem Wetter befahren? Niemals!
Das Wetter veränderte sich glücklicherweise zu meinen Gunsten. Nachdem ich zwei Nächte im Hostel ausgeharrt hatte, standen drei Tage mit gutem Wetter bevor. Dies bedeutete 80 Kilometer pro Tag; also machbar. Der südliche Teil der Panoramastrasse gehört zum Banff National Park, während die nördliche Hälfte Teil des Jasper National Parks ist. Rigorose Vorschriften verhindern den Bau grosser Hotels, und auch die Einwohnerzahl ist durch restriktive Bestimmungen eingedämmt: Nur wer hier arbeitet, darf auch hier wohnen.
Der erste Tag führte mich am Herbert-, Hector- und Bow Lake vorbei. Drei wunderschöne, von Gipfeln umrahmte Bergseen. Danach erreichte ich den höchsten Punkt, den 2088 Meter hohe Bow Summit. Ein kurzer Pfad durch Schnee führte hier zu einem Viewpoint, von dem man weit unterhalb den unglaublich türkisblaue Peyto Lake sehen konnte. Hoch zufrieden mit meinem ersten Tag brauste ich den Pass hinunter zum Waterfowl Lakes Zeltplatz. Offiziell geöffnet wird er erst Mitte Juni. Doch nicht für mich. Mit dem Fahrrad konnte ich geschickt die Gates umfahren und hatte so die ganzen Anlagen gratis für mich.
Ganz überraschenderweise waren am nächsten Morgen mein Zelt und das Velo mit einer Frostschicht bedeckt und mein Wasservorrat zu Eis gefroren. Deshalb also ist zelten im Mai 2000 Meter über Meer wohl nicht üblich. Durch das Mistaya Valley fuhr ich weiter zur historische Furt über den North Saskatchewan River. Die Talsohle ist hier getupft von Seen in allen Blau- und Grüntönen. Das nächste Highlight war die Weeping Wall. Hier rauschen schale, kleine Wasserfälle aus Felsspalten zu Tal. Danach galt es den zweiten Pass zu erreichen. Ich nahm es gemütlich, gab es doch immer die Parker Ridge, eine bizarr gezackte Bergkette zu bestaunen. Wieder kurz nach dem Pass legte ich mich in den mit meiner Bettflasche vorgeheizten Schlafsack.
Bereits um halb Neun Uhr erreichte ich das Columbia Icefield Center und den Athabasca Glacier. Das Besucherzentrum und das Kaffee waren noch geschlossen, dafür waren auch noch keine Touristen beim Gletscher. Trotzdem war der Blick auf den Gletscher enttäuschend und erinnerte mich mehr an eine Grossbaustelle. 50 Kilometer weiter, bei den Sunwapa Falls gönnte ich mir ein gutes Mittagessen und reichlich Kaffee. Gerade rechtzeig erreichte ich das Resort, denn Regen setzte ein. Glücklicherweise war es nur ein kurzes Gewitter und ich konnte bei blauem Himmel weiter radeln. Unterwegs sah ich 21 Dickhornschafe und 4 Schneeziegen. Das Gestein ist in dieser Region sehr salzhaltig und wird deshalb von den Tieren gerne aufgesucht. Bei den Athabasca Falls bog ich auf den alten Highway ab und näherte mich durch dichten Wald dem Endpunkt des Icefields Parkway.
Vom mächtigen Pyramid Mountain, welcher über Jasper ragt, sah ich leider nicht viel. Wie der Wetterbericht es vorausgesagt hat, waren die drei Sonnentage vorbei. Dafür konnte ich bei der Einfahrt meinen ersten Grizzly beobachten, welcher sich auf einer Wiese das frische Grün schmecken lies. Jasper stellte sich, wenn man aufgrund von schlechtem Wetter nicht wandern gehen kann, als ziemlich langweilig heraus. Trotzdem unternahm ich eine kleine Tour entlang der vielen Seen. Das Hostel teilte ich mit einer Schulklasse, welche die Fahrradtour durch den Icefields Parkway noch vor sich hatten. Ich versuchte die Kids etwas zu motivieren und fuhr dann selbst etwas angepisst bei Regen los Richtung Yellowhead Highway.