Northern Highlands

Meine Wochen nach meinen velofreien Tagen in Pitlochry war von vielen „Was zur Hölle mache ich hier genau“ – Momenten geprägt. Nach der grandiosen Fahrt entlang vom Loch Lyon wollte ich weitere Wanderwege erkunden. Mir war bewusst, dass dies jedes Mal viele Überraschungen bringen konnte. Und leider blieb es nun nicht nur mehr beim Furten von diversen Gewässern.

Ich startete durch den Cairngorms National Park. War umrundet von Hügeln und violetten Büschen. Und die Gravel Road war herrlich. Nur endete sie so, wie auch auf der Karte eingezeichnet. Was nun folgte, war ein Singletrack durch einen Sumpf.  Die Landschaft war atemberaubend und ich versuchte mich in etwas Bikepacking. Blieb aber mehrmals stecken, da ich die Grösse meiner neuen Taschen etwas unterschätzte. Nachdem es mich das dritte Mal vom Velo warf, fand ich es rücksichtsvoller zu schieben, bis ich zurück auf eine fahrbare Strasse fand. Von da an war alles so wie ich es mir vorgestellt hatte. Das Wetter war sonnig, ich war umrundet von Bergen, Seen und Flüssen, begegnete nur Mountainbiker*innen und Hirschen.

Insgesamt also doch ein sehr positives Erlebnis.  Und ich nahm den nächsten Wanderweg in Angriff. Dieses Mal ging es über einen Bergpass, was wie eine wunderbare Abkürzung auf der Karte aussah. Nicht gerechnet hatte ich damit, dass ich mein Fahrrad die ungefähr zehn Kilometer auf die Bergspitze schieben werde. Der Gravel war zu grob, trotz unzähligen Serpentinen, der Pfad zu steil. Die Abfahrt, mit welcher ich belohnt wurde, war allerdings nicht zu verachten.

Ich erreichte Fort Augustus am Loch Ness. Hier plante ich meine Route etwas um. Von nun an wollte ich nur noch Wanderwege fahren, wenn kein Pass dazwischen lag.  Ich pedalte entlang dem berühmten Loch. Es war alles schön flach und noch immer sonnig.

Ich dachte, ich wäre nun gut vorbereitet. Was ich nicht wusste, war dass der fünfte Tag der schlimmste werden sollte. Am Tag davor war alles noch genau so, wie ich mir es eigentlich vorstelle. Ich war nun im Glencore Glen, einem der einsamsten Vallys in Schottland. Es ging entlang von Loch Affric, dann entlang eines idillischen Flusses. Erst der Abend wurde, wie so oft in letzter Zeit, unangenehm. Sobald man vom Velo absteigt, geht die Mückenplage los. Kochen und Essen, eigentlich immer eine wunderbare Sache, macht keinen Spass mehr. Jeder Toilettenbesuch wird zur Qual und bedeutet mehr Blutsauger im Zelt. Sobald man aber wieder von etwas Fahrtwind umgeben ist, verschwinden die Biester zum Glück. Nur gelangte ich nun von einem Moment auf den Anderen auf einem Wanderweg, so wie man sich diese in der Schweiz vorstellt. Es war alles voller grober, scharfer Steine. All hundert Meter musste ich wieder einen kleinen Bergbach durchqueren. Sprich ich schob und trug mein Fahrrad einen ganzen Nachmittag lang. Zuerst hinauf, dann den Berg wieder hinab. Unten angekommen waren meine Beine blau, meine Bremsklötze durch und die neuen Taschen hatten ihre ersten Löcher. Ich war zurück an der Westküste und hatte für den Moment genug von Offroad-Abenteuern.

 

Nur waren die „Warum mache ich dies genau“- Momente noch nicht vorüber. Das nächste Zwischenziel war der Bealach na Bà Pass. Ich hatte wunderbare Bilder davon gesehen. Er gilt als Schottlands härtester Bergpass und Fitnessprobe für Radfahrer*innen. Als ich startete, regnete es nicht nur, es stürmte. Ich hatte absolut keine Sicht. Trotz Leuchtweste war ich nicht sicher, wie früh mich die Autofahrer*innen sahen. Windböen machten das Ganze noch gefährlicher. Nach der Abfahrt hatte ich fast so kalt, wie damals bei der Gotthardüberquerung vor einem Jahr. Im Nachhinein eine absolut sinnlose Fahrt. Aber immerhin weis ich nun, dass ich fitter, als so mancher Schotte bin. Den ganzen Nachmittag hatte ich Sonne.

Es waren die letzten Sonnenstrahlen für eine ganze Weile. Dafür gab es keine anderen bösen Überraschungen mehr. Ich fuhr entlang der Küstenstrasse nordwärts. Die Strecke war immer sehr hüglig, doch landschaftlich einmalig. Ich fuhr durch eine skurrile Mondlandschaft und zerfetzte Küste.

Doch das schlechte Wetter hielt an. Es regnete und regnete. Ich trug meine Regenkleider noch nie so ununterbrochen wie hier. Man machte so aber auch sehr interessante Bekanntschaften. Die Gespräche drehten sich mal nicht nur über meine zwei Jahre auf dem Fahrrad, sondern handelten vor allem davon, wo man trockene, windgeschützte Unterstände findet. Und so hatte ich die vier nächsten Nächte immerhin warme Nächte. Zwei Nächte verbrachte ich in einem Bothy, hatte ein warmes Feuer und genoss Kerzenschein. Die Nacht darauf schlief ich in einem Infogebäude, welches sogar mit einer Toilette und warmem Wasser ausgerüstet war und die vierte Nacht fand ich eine Waldhütte wo ich viele tolle Gespräche mit Hündeler hatte.

Trotz schlechtem Wetter herrscht hier eine riesige Outdoor-Kultur. Es ist normal, dass man den ganzen Tag in Regenhosen herumläuft. Jeder hat ein Kopfnetz gegen die Midges dabei. Niemand findet es merkwürdig, dass ich jede Nacht im Zelt verbringe. Es ist sogar für einmal ganz legal. Für die Nutzung der schon erwähnten Bothys, einfache Unterkünfte für Wanderer, wird keine Gebühr erhoben und sie sind in der Regel unverschlossen. Ich glaube diese Kultur und die fantastische Landschaft macht es aus, dass es mir in Schottland so richtig, richtig gut gefällt.

Von John o’Groats an der Nordküste nahm ich die Fähre nach Orkney, um die Northern Isles zu besuchen. Vorbereitet war ich wie immer nicht. Doch die Inseln sehen sehr spektakulär auf der Karte aus und dies war Grund genug für einen Besuch.  Bei der Fähreüberfahrt informierte man mich, dass es hier neun Monate Winter sein soll und der Rest des Jahres schlechtes Wetter sei. Perfekt für eine Fahrradtour also.

 

2 Gedanken zu “Northern Highlands

  1. Hey Laura,
    ich war zwar schon im Cairngorms Nationalpark wandern, aber deine Reiseschilderungen und die schönen Bilder machen süchtig und ich kann es kaum erwarten, mein Reiserad über die EuroVelo 12 in Richtung Schottland zu steuern!
    Ich wünsche Dir weiterhin eine sichere Fahrt und tolle Eindrücke!
    Patrick
    PS: Kleiner Tippfehler im letzten Ansatz. Es heisst “John o’ Groats”

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