Etwa zwölf Stunden und 25 Minuten dauert eine Tide von einem Niedrigwasser zum nächsten. Dabei überspült das Wasser der Nordsee die extrem breiten Strände des Watts und gibt es zweimal täglich wieder frei. Diese Dynamik sorgt für eine ungeheure grosse Produktion kleinster Pflanzen und Tieren.
Durch den Nationalpark Wattenmeer, Kinderstube und Speisekammer für viele Fische, Vögel und Säugetiere setzte ich meine Fahrradtour fort.
Die Zeit zu Hause war ganz und gar nicht übel gewesen und der Abschied kam dann plötzlich doch etwas zu früh. Mit jedem Pedaltritt heraus aus Hamburg fühlte ich mich wieder etwas besser und bereits am zweiten Tag musste ich mir eingestehen, wie sehr ich das Leben auf dem Velo vermisst habe. Es ist grossartig immer an der frischen Luft zu sein, nicht zu wissen was der Tag einem bringt, jeden Abend irgendwo in der Natur das Zelt aufzubauen, gemütlich ein Buch zu lesen und dann früh und müde in den Schlafsack zu kriechen.
Dänemark ist das ideale Fahrradland und dies nicht nur wegen der Topografie. Vor allem hinsichtlich der landschaftlichen und atmosphärischen Reize dieses wunderbaren Landes war ich positiv überrascht. Ich folgte grösstenteils Dänemarks kontrastreicher Nordseeküste, meistens über Schotter- und Sandpisten. Immer wieder radelte ich einsam durch märchenhafte Wälder, entlang ausgedehnter Dünen-Hügellandschaften, mehrmals über hauchdünne Nehrungen, die an den schmalsten Stellen nur ein paar hundert Metern Sand und Dünen die Nordsee mit den Fjorden trennt und stellenweise radelte ich sogar direkt am Strand.
Der brutale Wind, welcher mir beim Grenzübergang von Deutschland nach Dänemark noch gnadenlos entgegenwehte, hatte ich endlich im Rücken, zudem war es sonnig und warm. Dass die Rahmenbedingungen für eine Radtour entlang der Küste nicht immer so ideal sind, machte mich eine Schülerin in Ramme aufmerksam. Ich konnte bei Grundschullehrerin Emilie übernachten. Da ich aber zu früh bei ihr eintraf, nahm sie mich kurzerhand in ihre Schule mit und bat mich, in zwei Klassen den Englischunterricht zu übernahmen und über meine Weltreise zu berichten. Ich war überrascht über das Englischniveau und Interesse der Kinder, Emilie darüber, wie ruhig und aufmerksahm ihre Schüler*innen endlich einmal waren. Anschliessend spielte ich noch eine Partie Schach gegen einen der Schüler und verlor kläglich.
Mit gewaschenen Kleidern und frisch geduscht setzte ich meine Tour fort. Noch immer war es flach und sonnig. Noch immer hatte ich Rückenwind. Noch immer war alles sehr einsam. Ich genoss die Dünenlandschaft des Thy-Nationalparks, bewunderte unendlich viele Leuchttürme und staunte über die unterschiedlichsten, mir unbekannten Vogelschwärme. Auch in Dörfern wie Kiltmoller, dem als Cold Hawaii vermarkteten Surferdorf, war touristisch tote Hose und die meisten Restaurants und Geschäfte hatten noch zu.
Je weiter nördlich ich gelangte desto rauer wurde die Küste. Nirgends war sie so rau, so archaisch, so spektakulär wie an der Steilküste Lonstrup Klind, wo sich eine Wanderdüne über ein Plateau hoch über dem Meer schiebt. Inmitten der instabilen Landschaft har der Leuchtturm Rubjerg Knude und eine Kirche den Kampf gegen die Kräfte der Natur schon verloren.
Selbstverständlich wollte ich ganz, ganz nach oben, wo sich auch Mitteleuropa im Meer verliert und wo Kttegat und Skagerrak mitteinander ringen. Von da ging es nach Fredrikshavn, wo schon die Fähre nach Oslo auf mich wartete.
Finally caught up! Looking forward to the next post!
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